LICHTENFELS (23.09.2022). Beim letzten Umwelttipp ging es um den Wert der alten Obstsorten, also um das Obst an sich. Im Folgenden soll anhand von ein paar Tierarten etwas näher hingeschaut werden, warum Obstwiesen eigentlich so ein bereichernder Bestandteil unserer Landschaft sind – Stichwort Biodiversität. Das erläutert der Kreisfachberater für Gartenbau, Michael Stromer:
„Jedes Kind kennt Ameisen. Wir finden sie nicht sonderlich toll, wenn sie durch den Garten, über die Gartenmöbel, geschweige denn durch den Keller oder durch die Wohnung krabbeln. Aber im Naturhaushalt ist ihr Wert unschätzbar und faszinierend.
Ameisen kommen nie alleine vor. Bis zu 600.000 Tierchen bilden einen Ameisenhaufen. Eine Ameise kann das 30fache ihres Gewichts tragen. Auf der Streuobstwiese kümmern sie sich mit ums Aufräumen. Sie sammeln und verbauen alles Mögliche; andere Insekten - auch Kadaver - dienen ihnen als Speise. Ameisen stehen dann wiederum auf dem Speiseplan anderer Tiere.
Der Wendehals beispielsweise, ein wichtiger Specht-Vogel der Streuobstwiesen, ernährt sich hauptsächlich von Ameisen; vor allem von den Wiesen-Ameisen. Die findet er am besten in Streuobstwiesen. Diese haben im Vergleich zu einer reinen Wirtschaftswiese eine lückigere Grasnarbe, zum Beispiel an den Wurzelanläufen der Bäume.
Der Wendehals kommt besser an die Ameisen ran. Der Rückgang der Streuobstbestände in Deutschland hatte auch einen Rückgang der Wendehälse zur Konsequenz. Auch interessant: Die Rote Waldameise wird vom Wendehals gemieden. Vielleicht hat sie zu viel Ameisensäure?
Bleiben wir bei den Spechten. Mit ihrem Schnabel, auch Spechtmeißel genannt, hauen sie auf das Holz ein. Mal wollen sie damit an Insekteneier und Maden kommen, mal eine Nisthöhle zimmern, mal ihr Revier markieren und ganz einfach der Liebsten imponieren. Dass sie dabei nicht Kopfweh bekommen, liegt an den „Stoßdämpfern“, den kräftigen Muskeln am Hinterkopf und an der geringen Flüssigkeit um das Specht-Hirn herum.
Der weitaus häufigste Specht bei uns ist der Buntspecht. Weitere sind der Mittelspecht, der Kleinspecht, der Dreizehenspecht, der Schwarzspecht, der Grünspecht und der Weißrückenspecht.
Obstwiesen sind für sie ein Eldorado. Hier finden sie viele Astlöcher und Insekten. Der Wendehals wiederum haut sich selbst keine Nisthöhlen ins Holz, sondern er ist auf die Vorarbeit seiner Kollegen, vor allem des Buntspechtes, angewiesen. Auch viele weitere Tierarten wissen die Spechthöhlen zu schätzen: andere höhlenbrütende Vögel wie Meisen, Kleiber und Star, Kleinsäuger wie der Hermelin und weitere Marderarten, Insekten wie Wespen und Hornissen und Fledermäuse.
In Deutschland stehen alle Fledermausarten auf der Roten Liste. So wie wir Menschen heute leben, bauen und wirtschaften, ist ihr Lebensraum sehr stark eingeschränkt. Obstwiesen mit alten Bäumen, mit schuppiger Rinde und knorrigen Ästen und einem riesigen Futterangebot sind dabei ihre Refugien.
Deshalb: Obstwiesen pflanzen und pflegen, ungespritztes, regional erzeugtes Obst kaufen und verarbeiten ist Umwelt- und Klimaschutz, ist gesund und ein Genuss.“
Gut getarnt - Man muss schon genau hinschauen, wenn Ameisen einen Kirschbaum rauf- und runterkrabbeln. Ob sie so der Specht findet? Ein kleines Detail im „Kosmos Obstwiese“. Foto: Umweltstation Weismain, Michael Stromer