LICHTENFELS (02.12.2022). „Nicht behindert zu sein, ist wahrlich kein Verdienst, sondern ein Geschenk, das jedem von uns jederzeit genommen werden kann“: Dieses Zitat des früheren Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker hängt hinter dem Schreibtisch von Rudolf Ruckdeschel. Dieser ist seit dem 1. Mai 2019 der (ehrenamtliche) Beauftragte für Menschen mit Behinderung im Landkreis Lichtenfels. Der „Internationale Tag der Menschen mit Behinderung“ am 3. Dezember bietet Anlass, mal mit ihm über seine Tätigkeit zu sprechen.
„Ich kann über Arbeitsmangel nicht klagen“, stellt Rudolf Ruckdeschel fest. „Das Verblüffende ist, dass die Anfragen seit Beginn der Pandemie sogar noch zugenommen haben. Bei den Gesprächen – auch wenn wegen der Beschränkungen in der Regel telefonisch waren – habe ich gemerkt, dass viele Menschen einfach Redebedarf haben. Sie brauchen jemandem, dem sie ihre Sorgen schildern können“, sagt der Regierungsinspektor a.D. mit verständnisvollem Blick.
„Mich freut’s, wenn ich jemandem helfen kann“: Seit Mai 2019 ist Regierungsinspektor a.D. Rudolf Ruckdeschel Beauftragter für Menschen mit Behinderung im Landkreis Lichtenfels. Foto: Landratsamt Lichtenfels / Heidi Bauer
Einmal in der Woche – immer mittwochs von 9 bis 12 Uhr – hat der Beauftragte für Menschen mit Behinderung Sprechstunde. Er steht aber auch nach persönlicher Terminvereinbarung für Fragen und Anliegen zur Verfügung.
Menschen in Ausnahmesituationen
Eigentlich ist Rudolf Ruckdeschel seit drei Jahren im Ruhestand. Doch nachdem der Regierungsinspektor a.D. am 29. April 2019 nach über 30 Jahren seinen letzten Arbeitstag im Sachgebiet Bauen und Planungsrecht am Landratsamt hatte, wo er für die Wohnungsbauförderung zuständig war, begann für ihn eine gleichzeitig eine neue Ära: Er übernahm das Amt als ehrenamtlicher Beauftragter für die Belange von Menschen mit Behinderung. Inzwischen ist es seine zweite Amtszeit.
Für seine neue Aufgabe brachte Rudolf Ruckdeschel durch seine berufliche Tätigkeit viel Fachwissen mit – persönlich viel Engagement. Wenn er über seine Tätigkeit spricht, klingt durch, mit wieviel Herzblut er sich einsetzt: „Menschen kommen oft von heute auf morgen in so eine Ausnahmesituation und sind dann völlig überfordert, ratlos und verzweifelt. Da muss man ganz einfach helfen“: Das war für den Regierungsinspektor a.D. 2019 auch einer der Gründe, weswegen er sich entschlossen hat, Beauftragter für die Belange von Menschen mit Behinderung zu werden.
„Viele Menschen wissen nicht, wo sie Hilfe bekommen können und genau da setzt meine Arbeit an“, sagt Rudolf Ruckdeschel. Er steht zur Verfügung, wenn es darum geht, wie ein Antrag auf einen Behindertenausweis, auf Förderungen, auf Erlass der Kfz-Steuer gestellt werden müssen. Aber auch, wenn Menschen mit Handicap Probleme beim Einstieg in öffentliche Busse haben, wenn behindertengerechte Wohnungen gesucht sind, ist der Beauftragte für Menschen gefragt.
Der Beauftragte für die Belange von Menschen mit Behinderung berät insbesondere bei:
• in persönlichen Angelegenheiten
• bei rechtlichen Fragen
• hinsichtlich der Zuständigkeit von Ämtern
• leistet Mithilfe bei der Formulierung von Eingaben und Anträgen in Fällen von Beschwerden oder Benachteiligungen
• bei Fragen rund um das Thema barrierefreies Wohnen
• Hilfen der freien Wohlfahrtsverbände und privater Initiativen (ambulanter Pflegedienst, Selbsthilfegruppen usw.)
Sein Aufgabenfeld umfasst zudem die Unterstützung der Landkreisverwaltung in Behindertenfragen sowie Stellungnahmen zu Bau- und Verkehrsprojekten mit Blick auf die Barrierefreiheit.
„Integration fördern“
„Menschen mit Behinderung müssen gleichberechtigt und ohne Barrieren am Leben teilhaben können. Das ist für uns als Behörde nicht nur gesetzliche Maßgabe, sondern für mich als Landrat und für das Landratsamt Lichtenfels als Behörde ein Herzensanliegen“, unterstreicht auch Landrat Christian Meißner. Mit der Bestellung des Behindertenbeauftragten will der Landkreis dazu beitragen, die Interessen von Menschen mit Behinderungen zu wahren und deren Gleichstellung zu verwirklichen. Ziel müsse es sein, Benachteiligungen zu beseitigen und zu verhindern, die Integration zu fördern und eine weitgehend selbst bestimmende Lebensführung zu ermöglichen.
Zahl der Menschen mit Handicap steigt
8.204 Menschen mit schwerer Behinderung (Stand 31. Dezember 2021) leben nach der neuesten Statistik des Zentrums Bayern Familie und Soziales (ZBFS) im Landkreis Lichtenfels: „Das sind 12,3 Prozent der Einwohner“, sagt Rudolf Ruckdeschel. Rechnet man die Menschen mit einer Behinderung unter 50 Grad hinzu, so kommt man auf insgesamt 13.304. Das sind 19,9 Prozent der Bevölkerung, die ein Handicap haben. Tendenz steigend: „Aufgrund des demographischen Wandels und des hohen Anteils älterer Menschen bei den Schwerbehinderten wird sich die Quote weiterhin erhöhen. Das ist alarmierend und wird uns bzw. den Landkreis insbesondere in den Bereichen Wohnen und Pflege vor neue Herausforderungen stellen. Daran, dass sich die Gestaltung und Planung einer barrierefreien Umwelt als selbstverständlich in den Köpfen aller festsetzt, muss weiterhin intensiv gearbeitet werden“, so Ruckdeschel.
„Es hat sich sehr viel verbessert, aber es bleibt ein weiter Weg, bis wir für die Menschen mit Behinderung in punkto Inklusion einen akzeptablen Zustand erreicht haben“, meint Rudolf Ruckdeschel. Dabei sehe er sich persönlich auch als Bindeglied zwischen den Menschen mit Behinderung und den kommunalen Entscheidungsträgern sowie Behörden. „Behinderung hat viele Gesichter und Facetten. Ich bin oft erstaunt, wie tapfer die Leute ihr Schicksal annehmen“, sagt der Beauftragte. Und bei seiner Tätigkeit lernt er viele Menschen kennen, deren Geschichten ihn sehr bewegen: „Mich freut’s, wenn ich jemandem helfen kann“, bekräftigt er.
Sprechstunde hat Rudolf Ruckdeschel immer mittwochs von 9 bis 12 Uhr im Landratsamt Lichtenfels (Raum). Nähere Informationen gibt es unter folgenden Link: https://www.lkr-lif.de/landratsamt/weitere-aufgaben/behindertenbeauftrage r/171.Behindertenbeauftragter-beim-Landkreis.html.
Über einen Mangel an Arbeit kann Rudolf Ruckdeschel nicht klagen. Zum „Internationalen Tag der Menschen mit Behinderung“ am 3. Dezember gibt er einen Einblick in seine Tätigkeit.
Foto: Landratsamt Lichtenfels/Heidi Bauer