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Pressemitteilung 212-2022: „Wir brauchen beim Wildgänsemanagement pragmatische Lösungen“


Landkreis, Kommunen, Politik, Landwirte sowie Jagd- und Naturschutzbehörde wollen Problematik mit einem Pilot-Projekt gemeinsam angehen – Auftakt im Juli geplant 

LICHTENFELS (02.06.2022). „Die Wildgänse haben die frisch aufgegangene Saat auf einem Stück komplett abgefressen. Hier ist die Ernte verloren“, klagt Landwirt Klaus Weiß aus Gruben bei Hochstadt. Damit steht er nicht allein. Graugänse, Kanadagänse und Nilgänse sind im Landkreis Lichtenfels immer mehr auf dem Vormarsch. Mit ihrem Riesenappetit auf Getreide richten sie vielerorts großen Schaden an.

Ein Fakt, den das Landratsamt als untere Naturschutz- und Jagdbehörde, Kommunen, Landwirte und politische Mandatsträger seit einigen Jahren mit Sorge beobachten. Deswegen ziehen nun alle gemeinsam an einem Strang, um Lösungsmöglichkeiten zu finden. So sollen in Zusammenarbeit mit der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) gemeinsame Maßnahmen in Form eines Wildgänsemanagement-Projekts im Landkreis Lichtenfels ergriffen werden. 

Unterstützt durch den Leiter des Projektmanagements „Wildgänse“ an der LfL, Dr. Christian Wagner, der auch die seit 2013 laufenden Pilotprojekte Wildgänsemanagement in den Landkreisen Bamberg und Haßberge betreut, sollen anhand der dortigen Erkenntnisse verschiedene Regulierungsmaßnahmen, angepasst an die jeweiligen Standort- und Schadsituationen, an einigen Brennpunkten im Landkreis Lichtenfels umgesetzt werden. Der Startschuss soll mit einer Ende Juli stattfindenden Auftaktveranstaltung gegeben werden. 

Vor-Ort-Termin in Gruben bei Hochstadt zum „Wildgänsemanagement“ im Landkreis Lichtenfels. Foto: Heidi Bauer

Vor-Ort-Termin in Gruben bei Hochstadt zum „Wildgänsemanagement“ im Landkreis Lichtenfels: (v.re.): Landrat Christian Meißner, der Abteilungsleiter Bauen und Umwelt, Kommunales am Landratsamt, Tim Baum, BBV-Geschäftsführer Hans Rebelein, die Zweite Bürgermeisterin der Stadt Lichtenfels, Sabine Rießner, Sandra Groß von der unteren Jagdbehörde am Landratsamt, Martina Weiß und die Bundestagsabgeordnete Emmi Zeulner. 
Foto: Landratsamt Lichtenfels/Heidi Bauer

Ortstermin in Hochstadt-Gruben
Darauf einigte man sich bei einem ersten Ortstermin auf dem Hof von Martina und Klaus Weiß. Ein weiteres Vorgehen erörterten dabei Landrat Christian Meißner, Bundestagsabgeordnete Emmi Zeulner, die Zweite Bürgermeisterin der Stadt Lichtenfels, Sabine Rießner, der Erste Bürgermeister der Gemeinde Hochstadt, Max Zeulner, Vertreterinnen und Vertreter des Bayerischen Bauernverbandes (BBV) Lichtenfels – der scheidende Geschäftsführer Hans Rebelein, der designierte neue Geschäftsführer Gabriel Lieb, Kreisobmann Michael Bienlein und Kreisbäuerin Marion Warmuth – sowie der unteren Naturschutz- und der Jagdbehörde am Landratsamt Lichtenfels.

„Wir brauchen pragmatische Lösungen, die allen Seiten gerecht werden – Naturschutz und Tierschutz einerseits, sowie Landwirtschaft und Freizeithygiene anderseits“, sagte Landrat Christian Meißner. 

Die Bundestagsabgeordnete Emmi Zeulner bekräftigt: „Unter landwirtschaftlichen und naturschutzfachlichen Aspekten stellt die kanadische Wildgans nicht nur für die Wasser- und Erntequalität ein großes Problem dar, auch die heimischen Vogelarten geraten aufgrund der Verdrängung zunehmend unter Druck. Umso mehr freut es mich, dass mit Dr. Christian Wagner von der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft ein Experte unserer Einladung in den Landkreis folgt und wir somit gemeinsam mit unseren Landwirtinnen und Landwirten und weiteren Akteuren über eine dringend notwendige Problemlösung diskutieren können.“

Wie der Leiter der Abteilung Bauen und Umwelt, Kommunales am Landratsamt, Tim Baum, beim Ortstermin erläuterte, gab es seit 2013/14 unter anderem ein Pilotprojekt der LfL zum Wildgänsemanagement in den Landkreisen Bamberg und Haßberge. Dabei zeigte sich, dass sich Wildgänse gerade in den Mainauen sehr wohlfühlen. Die enge Verzahnung von Ruhegewässern mit Brutmöglichkeiten und landwirtschaftlichen Flächen mit hochwertiger Nahrung biete optimale Bedingungen und ist eine der Ursachen für die enorme Vermehrung. Wenn der Mensch nicht eingreife, werde die Population weiter wachsen. „Die Schaffung von naturschutzfachlich geschützten Lebensräumen für seltene Bodenbrüter geht ins Leere, wenn eine Übermacht von Gänsen diese verdrängen“, fasst Landrat Meißner auch die naturschutzfachliche Notwendigkeit für Maßnahmen zusammen. 

Neues Jagdgesetz
Sandra Groß von der unteren Jagdbehörde erläutert, dass die Wildgänsearten zum jagdbaren Federwild zählen und damit dem Jagdrecht unterliegen. Seit fast 20 Jahren sind daher die Jagdpächter in Problembereichen des Landkreises bemüht, über gezielte (Vergrämungs-) Abschüsse und Jagdzeitverlängerungen massive Schäden an landwirtschaftlichen Kulturen im Rahmen zu halten. Der Abschuss allein könne aber das Grundproblem der wachsenden Population nicht lösen. Insofern komme die zum 1. Mai 2022 in Kraft getretene Änderung des Bayerischen Jagdgesetzes zum richtigen Zeitpunkt.

Nachdem auch von Seiten des Landesgesetzgebers erkannt wurde, dass die steigende Gänsepopulation zu zunehmenden Problemen in der Landwirtschaft und den Uferbereichen von Badegewässern führt, ist es nunmehr erlaubt, auch die Gelegebehandlung jagdrechtlich zu genehmigen. Damit wird der Bruterfolg der Gänse reduziert und der Populationszuwachs eingedämmt. Gelegebehandlungen waren bislang nur zu wissenschaftlichen oder Lehrzwecken erlaubt. Das wissenschaftliche Pilotprojekt in den Landkreisen Bamberg und Haßberge habe mit dieser Maßnahme in bestimmten Problemregionen Erfolge gezeigt. Sowie diesbezüglich nähere gesetzliche Vorgaben vorliegen, soll die Gelegebehandlung als ein Baustein des Wildgänsemanagement-Projektes im Landkreis Lichtenfels ebenfalls etabliert werden. 

Hohe Verluste für Landwirte
„An den Äckern entlang von Gewässern ist ein Anbau von verschiedenen Kulturen nicht mehr möglich, weil die Gänse alles abfressen. Unseren Landwirten drohen Verluste im vierstelligen Bereich pro Hektar“, warnt BBV-Geschäftsführer Hans Rebelein. Fachberater Gabriel Lieb unterstreicht: „Auf die Problematik mit den ausufernden Wildgänsebeständen weisen die Landwirte schon seit Jahren hin. Neben den Schäden an den Feldfrüchten verdrängen auch die Gänse als invasive Arten immer mehr die einheimischen Wildvögel.“ BBV-Kreisobmann Michael Bienlein fordert: „Zukünftige Bauplanungen entlang von Gewässern müssen das Problem mit den Wildgänsen berücksichtigen. Es muss alles dafür getan werden, dass die Schäden im Rahmen bleiben.“ 

Kreisbäuerin Marion Warmuth stellt klar: „Wildgänsemanagement funktioniert nur mit den Behörden, Jägern, Jagdgenossenschaften & Landwirten und dem Verständnis der Bevölkerung.“ Der Erste Bürgermeister der Gemeinde Hochstadt am Main, Max Zeulner, fasste mit Blick auf ein weiteres Problem zusammen: „Da der Kot der Gänse auch zu massiven hygienischen Problemen an den Liegebereichen der Naherholungsgewässer führt, ist es auch im Interesse der Städte Märkte und Gemeinden des Landkreises, dass über das Projekt Wildgänsemanagement wirksame Maßnahmen eingeleitet und umgesetzt werden.“

Die Wildgänse richten an der Saat auf den Äckern entlang von Gewässern durch ihren riesigen Appetit immense Schäden an. Foto: Bayerischer Bauernverban

Die Wildgänse richten an der Saat auf den Äckern entlang von Gewässern durch ihren riesigen Appetit immense Schäden an. „Unseren Landwirten drohen Verluste im vierstelligen Bereich pro Hektar“, warnt der Bayerische Bauernverband Lichtenfels. Foto: BBV Lichtenfels

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